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Format: CD / 2X12″
DB154CD / DB154
Indigo 946752 / 946751
Tracklisting (CD):
1. Grey Gardens (feat. Franz Hautzinger)
2. Rise and Fall (feat. G Rizo)
3. Future Back (feat. Fennesz)
4. Cache Wash
5. A to Z (feat. Teresa Rotschopf)
6. Thong
7. Blame it (feat. Abe Duque)
8. Impassive Skies (feat. Fennesz) |
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„Boredom is a deadly sin.“
Klar, niemand findet Langeweile gut. Betrachtet man Patrick Pulsingers Diskografie, so darf man davon ausgehen, dass er sich in den letzten 18 Jahren selten gelangweilt hat. Das Geheimnis liegt in der totalen Hingabe zur Musik und in der Abwechslung, die er dabei pflegt. Der Wiener hat gewitzte Techno- und Elektroplatten produziert und ist tief in die Klangästhetik des Jazz eingedrungen. Er hat Musik zu einer modernen „Schwanensee“-Fassung komponiert und dem Discocrooner Louie Austen geradezu maniloweske Hits zurechtgeschneidert. Er hat mit Erdem Tunakan das legendäre Label Cheap betrieben und in letzter Zeit als Inhaber des Feedback Studios im 5. Wiener Gemeindebezirk intensiv als Produzent (aktuell mit Hercules & Love Affair) und im Mastering gearbeitet. All das auf höchstem Niveau: Wo sein Name drauf steht, in welcher Funktion auch immer, ist cooles Zeug drin. Als Hörer und Fan musste man in den letzten Jahren allerdings manchmal nach dem roten Faden in seiner Arbeit suchen. Alles super, aber wo führte ihn die Reise bloß hin?Impassive Skies
2010 wird erst mal geerntet. Mit seinem fantastischen vierten Studioalbum „Impassive Skies“ nimmt der 1970 in der damaligen DDR geborene Musiker die verschiedenen Fäden wieder auf und verdichtet sie zu einem beeindruckenden Gesamtstatement. Die unterschiedlichen Stile und Sounds, in denen er unterwegs ist, begreift er keineswegs als Gegensätze. So denkt er gleich im furiosen Eröffnungsstück „Grey Gardens“ (feat. Franz Hautzinger) scheinbar mühelos Jazztrompete, Detroit Techno und Samba zusammen, dass es Miles Davis da oben einen Riesensmile aufzieht. Wäre der Begriff Fusion nicht derart ausgelutscht, sondern würde etwas Knackiges signalisieren, man dürfte ihn getrost wieder hervorholen. Im nicht minder gelungenen „Future Back“ (feat. Fennesz) dreht unser Mann mit leichter Hand Sounds seines österreichischen Elektronikkollegen zu einem stimmungsvollen Elektrotrack mit jazzigen Chords zusammen.
Auch um die Kraft der Stimme weiß er: Mit Unterstützung von Theresa Rotschopf aka Suzy on the Rocks von Bunny Lake haut er einen unterkühlt-düsteren Kracher im Zeichen von Pop und New Wave raus („A to Z“), mit G. Rizo als Gastsängerin packt er den Groove seines legendären „Porno“-Albums (1994 auf Disko B erschienen) wieder aus, ohne in Nostalgie zu versinken. Auf „Thong“ und „Blame It“ (feat. Abe Duque) vertieft er sich zusammen mit ElektroGuzzi, die Techno mit den Mitteln einer Band spielen, in kosmisch-hypnotische und funkige Gefilde. Und schließlich holt er im Titelstück (wiederum feat. Fennesz) zum emotional aufgeladenen Finale aus.
Techno und Swing
„Impassive Skies“ ist ein extrem vielschichtiges Album geworden, das von der fantastischen Produktion und den ebenso zwingenden wie lässigen Grooves zusammengehalten wird. Kaum jemand bringt Techno so zum Swingen wie Pulsinger, der die Rhythmen auf Drumboxes von Hand eingespielt hat. Seine Kenntnisse in analoger Aufnahmetechnik wiederum befähigen ihn dazu, eine Produktion hinzulegen, die extrem lebendig und körperlich klingt. Auf platte Effekte oder eine demonstrativ fette Bassdrum kann er da getrost verzichten.
Kontrollverlust
Überhaupt scheint er ein analoger Mann in einer digitalen Welt zu sein. Er steckt lieber an Modularsynthesizern herum als sich Soundprogramme auf den Computer zu laden, und lädt sich Menschen ins Studio ein statt übers Internet anonyme Dateien auszutauschen. „Einige der Nummern existierten als vage Ideen schon seit geraumer Zeit“, erzählt er zur Entstehung. „Mir hat aber immer der Funke an Kontrollverlust gefehlt, den man so schwer in eine Soloplatte hineinbekommt. Mit Gästen ist das toll. Jeder bringt etwas Unerwartetes mit, und ich kann mir dann aussuchen, was ich verwenden möchte, um möglichst nah an die Vision heranzukommen.“ Das ist geglückt. Die neuen Stücke bündeln Pulsingers künstlerische Vision auf erstaunliche Art und erlauben auch einen neuen Blick auf sie. In der Hochphase des Cheap-Labels wurden seine Arbeiten oft mit dem Attribut schmoov belegt. Das sind sie bis heute, aber gleichzeitig ebenso mitreißend und sehr, sehr knusprig. Weiß der Teufel, wie die Himmel bei der Musik ungerührt bleiben können.
Sebastian Fasthuber |